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Freitag, 1. April 2011

Bericht der Rhein-Zeitung/ Kultur anl. Vernissage Galerie Handwerk-Koblenz

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Vielen Dank an Tim Kosmetschke für die freundliche Berichterstattung!

Herbert Piel: Zeitgeschichte in Bildern


Fotografie Ausstellung mit Arbeiten des Bildjournalisten in der Galerie Handwerk eröffnet – Griff nach dem Augenblick

Von unserem Redakteur

Tim Kosmetschke

M Koblenz. Es kommt zur Konfrontation im Wald. Die Polizisten tragen Helme und Schilde, sie stemmen sich gegen die vordrängende Masse der Protestler. Da bricht ein junger Mann mit freiem Oberkörper durch die Verteidigungslinie – Brille, Bart, die Arme erhoben. Ein Polizist – mitten im Kampfgetümmel – schaut ihm nach, ebenso mehrere Demonstranten. Ein fesselnder Augenblick, eine Szene, die ungeheuer viel erzählt über das Geschehen 1981 an der Startbahn West in Frankfurt – eingefangen von Herbert Piel.

„Damals im Wald an der Startbahn – da hat es richtig geknistert. Man hat gespürt: Hier passiert gleich was.“ Der Pressefotograf erzählt das heute, 30 Jahre später, gelassen. Und er hat eine Pointe parat: „Da habe ich mal eine Szene erlebt, die war so ähnlich: Protestler und Polizisten stehen sich gegenüber, eine ungeheure Spannung in der Luft. Ich merke, dass es gleich losgehen wird. Da knackt es im Lautsprecher des Mannschaftswagens, und der Einsatzleiter der Polizei sagt: ,So, hier erst mal die Bundesliga-Ergebnisse ...‘ Da hat sich die ganze Anspannung in Sekunden aufgelöst.“

Herbert Piel hat viel zu erzählen, wenn er über seine Bilder spricht. Gelegenheit bot ihm die sehr gut besuchte Eröffnung seiner Ausstellung „Bitte nicht lächeln!“ in der Galerie Handwerk, wo noch bis 21. April gut 140 Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus seinem Archiv zu sehen sind, entstanden hauptsächlich zwischen 1975 und 1990, in der Zeit, in der Piel als Pressefotograf für Agenturen, Magazine und auch unsere Zeitung tätig war. Ein Kapitel, mit dem er inzwischen abgeschlossen hat: „Ich betrachte das als Episode meines Lebens. Heute mache ich etwas ganz anderes, mache ganz andere Bilder.“ Er betreibt eine Agentur, arbeitet viel für Firmen und Verbände, hat ein Fotostudio.

In einem Fotografenleben sammeln sich Zigtausende Bilder an. Wie hat er ausgewählt? „Ganz hart – und nach meinem Bauchgefühl. Ich habe die Bilder genommen, die mich heute noch berühren.“ Und diese Fotos berühren auch andere. Die Ausstellung ist ein Tourneeprojekt, war schon in Mainz zu sehen, ein Teil hängt in der Leica-Galerie in Solms („Da bin ich besonders stolz drauf“), als Stationen sollen noch mehrere Städte in Rheinland-Pfalz sowie Orte in Asien und den USA folgen. „Ich war selbst überrascht, dass die Ausstellung auch international so gut ankommt“, sagt Piel. Seine Erklärung: „Ich glaube, das liegt daran, dass es Bilder der Zeitgeschichte sind, aber nicht von 1900 und auch nicht von 1950, sondern aus einer Zeit, an die sich noch viele erinnern können oder die sie aus Erzählungen ihrer Eltern kennen.“

Bilder aus einer anderen Zeit: Das sind sie tatsächlich. Als Piel Pressefotos machte, war Bonn noch Bundeshauptstadt, die Mächtigen waren nah, und das Ausflugsprogramm der Bundesregierung führte nicht selten an den Rhein. Loki Schmidt und Nancy Reagan beim Damenprogramm 1982 vor der Pfalz bei Kaub, Präsident Reagan dann 1985 auf dem Hambacher Schloss, Bush senior und immer wieder Kohl – mal mit Japans Kaiser, mal mit Mitterrand, mal mit Pfeife, mal jung, mal alt: Piel hat viele typische Momente der Bonner Republik eingefangen.

Aber er hat nicht gewartet, bis das Zeitgeschehen zu ihm kam. Er ist oft auch dorthin gegangen, wo etwas los war. Oder wo bald etwas los sein könnte: „Sie glauben nicht, wie viel ich in meinem Berufsleben gewartet habe!“ Warten, bereit sein – und dann mit „festem Griff nach dem Augenblick fassen“, wie es Handwerkskammer-Präsident Werner Wittlich bei der Eröffnung ausdrückte: Das macht den Fotografen aus. Dabei sind einige große Bilder entstanden – der CH-53-Hubschrauber über den Köpfen der Anti-Atom-Demonstranten im norddeutschen Brokdorf 1981 etwa oder Willy Brandt bei seiner Erfurter Fensterrede 1990 oder die Autobahnblockade am Frankfurter Flughafen im Jahr 1981.

Als 1991 der Golfkrieg tobte, war Piel im türkisch-irakischen Grenzgebiet und fing das Leid der kurdischen Flüchtlinge ein. Auch den Protest gegen den Krieg in der Heimat fotografierte er.

Überhaupt: Herbert Piel war eben stets auch regional als Fotograf tätig, hat Demonstrationen und Konfrontationen in Rheinland-Pfalz fotografiert. In der Ausstellung hängt auch eine Wand, eigens mit Koblenzer Bildern bestückt – gelassen lachende Helfer beim Hochwasser in Koblenz-Neuendorf 1983 etwa oder der Zieleinlauf des Rollstuhlrennens beim Abendsportfest auf dem Oberwerth 1980.

Ein erstaunlich großer Bereich der Ausstellung ist Bildern gewidmet, die Piel 1990 in der gerade untergegangenen DDR gefunden hat: Bilder aus einem unbekannten Land, in dem reihenweise Babys in Kinderwagen vor der Konsum-Tür abgestellt werden, in dem beim „kleinen Grenzverkehr“ Trabis in die eine und Opels in die andere Richtung fahren, in dem nach der Wende Hammer und Zirkel eilig aus dem Jubelfähnchen herausgeschnitten werden, in dem die Innenstädte aussehen wie runtergekommene und verlassene Dörfer.

Herbert Piel hat viel gesehen. Gut, dass er meistens eine Kamera dabei hatte.

Z Die Ausstellung in der Galerie Handwerk, Rizzastraße 24–26, ist bis 21. April zu sehen; geöffnet täglich von 12 bis 17 Uhr. Infos: www.galerie-handwerk-koblenz.de>
RZ Koblenz und Region vom Freitag, 1. April 2011, Seite 21 (0 Views)